Wollen Sie wirklich Einfluss nehmen? Dann spielen Sie Schach! Teil 11 der Blogserie: Einflussnehmen auf sich und andere

Nur 50 Zentimeter breit und hoch, schwarz-weiß kariert und doch die ganze Welt! Schach ist nicht nur ein Brettspiel, sondern auch ein Denkmodell für Führungskräfte. Wer die Serie „Damengambit“ gesehen hat, versteht warum Schachspielen für Führungskräfte so relevant ist. Sehen Sie das auch so?

Umfrage: Was denken Sie, welches ist das beste Spiel für Führungskräfte?

  1. Schach: Denn es zwingt mich dazu, mich in die Perspektive des anderen hineinzuversetzen, bevor ich agiere.
  2. Poker: Denn ich muss nicht nur die Unsicherheiten im Blick haben, sondern auch den Charakter des anderen.
  3. Flohhupfen: Denn es geht darum, den Impuls in die richtige Richtung und mit der richtigen Stärke zu geben.
  4. Mensch ärgere Dich nicht: Immer wieder die Umsetzung versuchen, nicht sauer werden und verstehen, dass eine ganz Menge Glück dazugehört.

Wahrscheinlich hat jedes Spiel seine Berechtigung, aber es klingt nun einmal besser, sich über eine Rochade Gedanken zu machen als über Straßen oder kleine grünen Männchen auf dem Weg nach Hause. Zudem habe ich in der Tat noch keine Führungskraft im Programm gehabt, die anderen Spielen als Schach einen Einfluss auf ihre Führungsprinzipien zuschrieb.

Vormittags Innovation, nachmittags sizilianische Eröffnung

Diejenigen jedoch, die Schach erwähnten, waren sich sicher, dass es dieses Spiel war, dass sie erfolgreich machte. Ein Manager fasste es wie folgt zusammen: „Seit meiner Kindheit spiele ich Schach – und wie beim Schachspiel zwinge ich mich im Führungsalltag, die Situation von der Perspektive der anderen aus zu sehen. Wenn ich die kenne, kann ich meine Schritte besser durchdenken – und werde immer seltener überrascht.“

Nicht umsonst gibt es auch einen Schwung erfolgreicher Führungskräfte und Entrepreneure, die Schach spielen: Bill Gates, Peter Thiel, Bahnvorstand Richard Lutz und berühmterweise auch Mark Zuckerberg, der sich noch zur Stärkung seiner Fähigkeiten Unterrichtsstunden bei Schachweltmeister Magnus Carlsen gönnte. Und weil eben die super Erfolgreichen oft über den 64 Feldern brüten, gibt es gar Wissenschaftler, die sagen, dass Schach nicht nur an die Schulen, sondern auch in die Weiterbildungsprogramme in Unternehmen gehört.i Welche schöne Vorstellung: Am Morgen Innovation, nachmittags die sizilianische Eröffnung…

Im Schach will man gewinnen, aber was wollen die Mitarbeiter im Führungsalltag?

Allerdings hat der erfolgreiche Perspektivwechsel in der Führung noch eine zusätzliche Komponente, die man nicht vergessen darf. Im Schach nämlich weiß ich genau, was der andere will: Gewinnen. Im Führungsalltag weiß ich dagegen sehr selten präzise, was die anderen wollen. Zwar gehen wir davon aus, dass wir es wissen, aber ich sage Ihnen ganz klar und ganz brutal: Damit liegen wir zumeist glorreich daneben.

Ein Beispiel gefällig? Erfahrene Führungskräfte sollten sich vorstellen, welche Arbeitsmotive ein Kundenberater in einem Call-Center hat und ob diese von den ihrigen auf relevante Art und Weise abweichen. Erster Auftrag folglich: die eigenen Motive durchdenken. Das ging schnell. Die Führungskräfte sahen hehre Ziele bei sich: Ständig dazulernen, neue Fähigkeiten entwickeln, sich gut fühlen und eine Sinnhaftigkeit in dem sehen, was sie tun.

Zweiter Schritt: Sich in die Kundenberater hineinversetzen. Da ist doch glasklar, dass diese grundverschieden ticken. Nicht wahr? Denn wer im Call-Center arbeitet, ist ja ganz anders gestrickt als man selbst.  Denen seien als Motive sicherlich vernünftige Bezahlung, Sicherheit durch klare Strukturen und Lob am Wichtigsten. Auf Lernen oder Sinnhaftigkeit, kommt es sicherlich nicht an.

Ergebnis: Damit lagen sie VOLLKOMMEN falsch. Sozusagen Matt in ein paar Sekunden (wie Bill Gates, der in einem Spiel mit Magnus Carlsen in Sekunde 15 einen Denkfehler machte und nach 80 Sekunden schachmatt war). Wurden nämlich die Call-Center Mitarbeiter direkt gefragt, was sie motiviert, kam an erster Stelle: Neue Fähigkeiten entwickeln, gefolgt von Sinnhaftigkeit und Lernen. Sicherheit durch Struktur kam erst danach, die Bezahlung gar erst an siebter Stelle (das war bei den Führungskräften schon an vierter Stelle gewesen).ii

Das heißt, selbst eine erfahrene Führungskraft schafft es nicht, den Perspektivwechsel so vorzunehmen, dass sie wirklich versteht, was andere Menschen wollen. Da hilft das ganze Schachspielen nicht, wenn ich davon ausgehe, dass die andere Partei auf dem Schachbrett spazieren gehen will, und ihr der Sieg doch genauso wichtig ist wie mir.

 

Bei Ahnungslosigkeit fragen

Vielleicht war das ja nur ein einzelnes Ergebnis und sonst können wir diesen Perspektivwechsel ins Wollen der Anderen? Da müssen Sie jetzt ganz tapfer sein, denn nun folgt hart die schlechte Nachricht: Wenn es darum geht, zu verstehen, was jemand will, können wir uns schlichtweg nicht erfolgreich in das Gegenüber hineinversetzen. Punkt. Der Beleg? Im Jahr 2018 wurde die beeindruckende Zahl von 25 Studien mit fast 1.500 Teilnehmern ausgewertet.iii Die traurige Bilanz: Wir Menschen haben keine Ahnung davon, was der andere will. Versetzen wir uns in ihn hinein, sind wir uns aber leider sehr sicher, genau zu wissen, was dieser Mensch will und lassen uns in diesem vermeintlichen Verständnis kaum erschüttern.

Was können nun also tun? Etwas Revolutionäres. Nämlich fragen! Einfach fragen, was die andere Seite generell erreichen will. Das kann man bei Mitarbeitern machen und wenn man es halbwegs intelligent anstellt auch bei Führungskräften und Kollegen.

Fazit: Spielen Sie regelmäßig Führungsschach mit Ihren Mitarbeitern/Kollegen/Chefs – aber erst wenn Sie eine ziemlich gute Ahnung haben, was diese im Team, im Unternehmen, im Leben – auf ihrem eigenen Schachbrett eigentlich erreichen wollen.

Was können Sie nun konkret tun? Zum einen auf Netflix die wunderbare Serie „Damengambit“ sehen und sich inspirieren lassen. Zum anderen hilft absolut jedes Buch, um dann doch dazuzulernen, was die Perspektive anderer betrifft. Bei mir ist es gerade ein Buch, in dem ich mich in Menschen eindenke, die nach dem Tod ihr Gehirn in die Cloud hochladen wollen. Etwas, worüber ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht habe, was aber der visionäre und literarische Großmeisters Neal Stephenson wunderbar umsetzt. Im Moment noch nicht auf Deutsch zeigt Fall; or, Dodge in Hell eine Art Schachspiel mit hohem Einsatz – nämlich mit all unseren Neuronen! Und wie sich andere in der Cloud schachmatten lassen.

Klicken Sie hier, um keinen der zweiwöchentlichen Blogs zu verpassen. Zusätzlich bekommen Sie zu jedem Blog kostenlos alle zwei Wochen ein anderes Kapitel des Buches „24 Karat Erfolg“ zum Download. Die 24 Kapitel behandeln unterschiedliche Aspekte davon, wie man sich und andere beeinflusst.

Werfen Sie hier einen ersten Blick ins Buch als PDF oder ePub Version (nur für eReader).

i Hunt, S., & Cangemi, J. (2014). Want to improve your leadership skills? Play chess!. Education, 134(3), 359-368.

ii Doshi, N., & McGregor, L. (2015). Primed to perform. New York, NY: Harper Collins.

iii Eyal, T., Steffel, M., & Epley, N. (2018). Perspective mistaking: Accurately understanding the mind of another requires getting perspective, not taking perspective. Journal of personality and social psychology, 114(4), 547.