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Was genau bringt Demut den Mitarbeitern?

Teil 6 in der Blogserie "Mit Demut zum Erfolg": Im letzten Beitrag haben wir bereits gesehen, dass eine demutsvolle Führungskraft bei den eigenen Mitarbeitern mehr Kreativität und Innovation generiert. Wozu bringt Demut noch den Mitarbeitern?

In der Tat, bringt Demut eine erhöhte Leistung. Warum? Weil sich Mitarbeiter für eine demutsvolle Führungskraft mehr anstrengen und auch motivierter sind. Zudem wirken dieselben Mächte wie bei der Kreativität: Psychologische Sicherheit, Empowerment und Selbstwirksamkeit. Dazu kommt noch, dass eine demutsvolle Führungskraft um die größeren Zusammenhänge der Arbeit weiß und Energie und Zeit hineinsteckt, diese den Mitarbeitern zu vermitteln. Die Forschung sagt klar – wenn ich weiß, wofür ich etwas tue, bin ich messbar motivierter. Vielleicht kennen Sie schon die folgende, wunderbare Forschung von Adam Grant, die er auch in seinem Buch „Geben und Nehmen“ aufführt. Dabei ging es um Mitarbeiter, die Spenden von Alumni einsammeln, die wiederum in Stipendien für Studierende umgewandelt werden.
 

Ablauf der Studie von Adam Grant

Innerhalb der Studie wurden Mitarbeiter in drei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe bekam nichts zu tun – das war die Kontrollgruppe. Eine andere Gruppe bekam vier (echte) Geschichten zu lesen. Diese Geschichten beinhalteten Erfahrungsberichte früherer Mitarbeiter. Sie berichteten darüber, wie hilfreich der Job des Spendensammelns für ihre weiteren Karriere gewesen war. Die dritte Gruppe las vier Geschichten von Stipendiaten, die beschrieben, wie sehr sie von ihrem Stipendium profitiert, was sie alles erlebt hatten und was sie dank des Stipendiums erreichen konnten.

Jetzt gingen die Mitarbeiter wieder an die Arbeit. Was denken Sie ist passiert? Innerhalb der Gruppen 1 und 2 veränderte sich nichts: Keine der Gruppen warb mehr oder weniger Geld ein. Gruppe 3 dagegen schoss von einem Durchschnitt von ca. 1.300 $ pro Woche an eingeworbenem Geld hoch auf über 3.100 $! Nur weil die Mitarbeiter klarer verstanden hatten, was ihre Anstrengungen bewirkten. Das heißt, das größere Ganze hat ihnen einen erheblichen Ansporn gegeben.

Fazit: Wenn ich weiß, was meine Arbeit bringt; wenn ich mir gar vorstellen kann, wie jemand davon profitiert – arbeite ich doch gleich schon mal motivierter und besser. Dementsprechend führt Demut in der Führungskraft zu erhöhter Leistung bei den Mitarbeitern.
 

Weitere Effekte für Ihre Mitarbeiter – der Umgang mit Emotionen

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben einen schwierigen Kunden. Dieser kommt zum zehnten Mal zu Ihnen mit einer aus seiner Sicht notwendigen Veränderung in einem Projekt. In Ihrem Unternehmen werden Höflichkeit und Respekt gegenüber dem Kunden als sine qua non angesehen. Was tun Sie also? Sie reißen sich zusammen, verdrängen Ihre negativen Gefühle, beißen die Zähne zusammen und gehen so freundlich es geht auf das Anliegen des Kunden ein.

Sie spielen dem Kunden also ein Gefühl vor, das Sie so gar nicht fühlen. Die Forschung bezeichnet das als „Surface Acting“, also oberflächliche Schauspielerei. Was sagt die Forschung noch dazu? Dass die recht anstrengend für den Schauspielenden ist. Dass es in der Tat leicht zu Erschöpfung und Stress führt, wenn jemand stunden- oder tagelang Gefühle vortäuscht. Und dass die Kunden das oft auch merken und sich nicht ernstgenommen fühlen.
 

Authentizität und Unhöflichkeit – ein schmaler Grad

Nun ist es ja in der Tat so – viele Jobs verlangen, dass man sich dem anderen gegenüber freundlich, interessiert und wach benimmt, auch wenn einem gerade der Rücken weh tut, zu Hause die Hölle los ist oder man gerade in Arbeit versinkt.

Ehrlicherweise verlangt aus meiner Sicht jeder Job so ein Verhalten. In anderen Ländern würde das einfach als professionelles Verhalten angesehen werden. In Deutschland erscheint das meiner Erfahrung nach ein wenig anders. Wir scheinen als Nation sehr stolz auf etwas zu sein, was wir unter dem Label „authentisches Verhalten“ abgespeichert haben. Authentisch heißt in diesem Fall, sich nicht verbiegen zu müssen. Also, wenn ich einen langen Stau auf dem Weg in die Arbeit habe, darf ich (als Deutsche/r) laut darüber auch maulen. Ich darf auch jammern, dass es mir schlecht geht, weil mir die Schulter weh tut oder das nächste Meeting vorgezogen wurde.

Andere Länder und in der Tat auch ich, sehen darin eher eine Verwechslung von Authentizität mit Unhöflichkeit. Woher nehmen wir uns denn das Recht, die Kollegen, Mitarbeiter oder das ganze Team mit der eigenen Irritation zu behelligen. Im Berufsleben haben wir uns simple alle professionell zu verhalten. Das heißt, dass wir das meiste an Irritationen mit uns selbst ausmachen sollten – oder diese Hindernisse und Irritationen nur dann bewusst zur Sprache bringen, wenn es für die Situation im Ganzen sinnvoll ist.

Ist das zu Hause anders? Da darf ich doch sicher alles rauslassen, oder? Interessanterweise ist dort vielen klarer, dass man beim Partner oder der Familie die Dinge erst in Perspektive setzen muss. Das heißt, dass man natürlich auch Negatives erzählen darf. Für die Familienatmosphäre ist es dennoch gut, wenn man damit nicht gleich rausplatzt und rumbefindlicht, sondern sieht, wo im Laufe eines Abends oder einer Woche Raum für die eigenen Leiden sind.

Nun zurück zu den Gefühlen in der Arbeit. Wenn ich mich also nun durch das Vorspielen von Gefühlen selbst schwäche, gäbe es denn eine bessere Option?
 

„Deep Acting“ – die bessere Option

Die bessere Option wird von der Forschung „Deep Acting“ genannt. Das heißt, dass es mir gelingt, die Gefühle, die ich z.B.  zur Zufriedenstellung eines mühsamen Kunden, wirklich zu fühlen.

Dazu eine Anekdote von Jim Clawson, Professor an der Businessschool Darden in Amerika. Er erzählte wie ihn jemand einmal fragte: „Wie möchtest Du Dich heute fühlen?“ Und es traf ihn wie ein Donnerschlag, dass er bis zu diesem Tag, an dem er ca. 40 Jahre alt war, sich nie Gedanken darüber gemacht hatte, wie er sich fühlen MÖCHTE. Dass es da überhaupt eine Option gäbe, war ihm erst in diesem Moment bewusst geworden. Mehrere Monate habe es dann gedauert, erzählt er, bis er erkannt hatte, wie er sich am liebsten fühlen wollte. Was sozusagen der ideale Gefühlszustand für ihn war. Ich kann mich noch erinnern, dass es in Richtung „wach“ und „leicht“ ging. Sein nächster Schritt war dann, diese Gefühle bewusst zu kultivieren und darauf zu achten, dass sie immer häufiger vorkamen.

Jeder, der sich ein wenig mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigt hat, wird diesem Prozess kennen. Wenn man lernt, wahrzunehmen, was gerade ist, lernt man zu sehen, welche Gefühle in einem kommen und gehen. Die Folge: Man spürt, welche einem gut tun, welche nicht und welche Gedanken oder Aktionen hilfreich sind, um die positiven zu stärken, die negativen zu reduzieren oder manchmal die negativen einfach nur auszuhalten, ohne in eine Wertung zu gehen.
 

Zurück zur Demut – ein abschließendes Fazit

Die Forschung zeigt klar, dass Mitarbeiter von demutsvollen Führungskräften dieses gesunde „Deep Acting“ leichter hinbekommen. Dass sie es leichter vermögen, diejenigen Gefühle tatsächlich zu spüren, die im Arbeitsalltag von ihnen verlangt werden.

Warum ist dem so? Weil die demutsvolle Führungskraft ihre eigenen Emotionen selbst stärker im Griff hat. Sie wird sich nicht erlauben, jemanden anzupfeifen, nur weil sie Rückenschmerzen hat. Das Wissen darum, welch kleiner Teil sie im größeren Ganzen ist, erlaubt ihr, sich nicht so wichtig zu nehmen.

Folglich wird die demutsvolle Führungskraft in den meisten Fällen die richtigen Emotionen vorleben. Und hat man eine gelassene Führungskraft, die auch bei schwierigen Kunden oder in Krisen nicht ihren „Cool“ verliert, fällt das auch den Mitarbeitern leichter.

Überhaupt ist die Vorbildfunktion der entscheidende Hebel bei der Demut – generell beeinflusst die Führungskraft nicht direkt durch irgendwelche Interventionen. Vielmehr beeinflusst sie dadurch, dass die Mitarbeiter bei ihr beobachten, dass sie weniger über sich, sondern mehr über andere und das größere Ganze nachdenkt und sie stets offen und lernbereit bleibt. 

Ich wünsche Ihnen daher Erfolg dabei, Ihre Gefühle in der nächsten Woche intensiver darauf auszurichten, wo sie für Ihre Arbeit ganz konkret hilfreich und sinnvoll sind.

Mehr zum Thema Demut im Management, untermauert mit vielen Ergebnissen aus der Forschung, können Sie ab sofort in meinem neuen Buch „Mit Demut zum Erfolg“ (erschienen im Springer Gabler Verlag) lesen. Die englische Version wird später folgen. Wollen Sie durch eine Teilnahme an einer der Studien oder durch ein Interview zur Forschung beitragen, die dann in die englische Version des Buches aufgenommen wird, melden Sie sich bitte bei mir.