Jetzt auch noch dankbar sein? Echt? – Teil 12 der Blogserie: Einflussnehmen auf sich und andere

Für viele war dieses Jahr ein wirklich hartes mit gesundheitlichen, finanziellen und emotionalen Themen. Menschen wurden entlassen, Unternehmen sind gefährdet, bei anderen arbeiten die Mitarbeiter bis zum Umfallen, die Gesellschaft scheint sich zu spalten. Und dennoch kommt man nicht umhin über das Wort Dankbarkeit nachzudenken.

Wie geht es Ihnen mit dem Thema Dankbarkeit?

  1. Auch das noch? Nein danke!
  2. Im Alltag keine Zeit dafür
  3. Bin täglich dran

Die Krux beim Thema Dankbarkeit ist, egal, wie man es dreht und wendet – Dankbarkeit ist sinnvoll. Warum? Erstens ist sie einfach gesund. Und zweitens: Es bringt absolut niemandem etwas, wenn Sie nicht dankbar sind für das, was Sie haben.

Dankbarkeit ist gesund

Lassen Sie uns die Forschung hinter Dankbarkeit anschauen, die seit den neunziger Jahren im Rahmen der positiven Psychologie explodiert ist. Zur Einstimmung ein Experiment: Studenten werden in drei Gruppen geteilt und mit der Aufgabe betraut, zehn Wochen lang jeweils einen Absatz über die vergangene Woche zu schreiben; Gruppe 1 über solche Erlebnisse, die ein Gefühl von Dankbarkeit hervorrufen, Gruppe 2 über ihre Ärgernisse und Gruppe 3 ganz neutral über alles, was so passiert.i

Nach diesen zehn Wochen wird untersucht, welche der drei Gruppen sich am wohlsten fühlt. Sie ahnen das Ergebnis, stimmt’s? Ganz klar: Die Studenten, die ihre Dankbarkeit hervorgerufen hatten, fühlten sich um einiges glücklicher, zufriedener, optimistischer und gesünder als die beiden anderen Gruppen.

Weitere Beispiele gefällig?

  • Dankbarkeit bei medizinischem Personal führt zu weniger Burnout und mehr Zufriedenheit mit der Arbeit.ii
  • Dasselbe Prinzip gilt gar bei den ganz harten Jungs, den Feuerwehrmännern. Diejenigen, die Dankbarkeit verspüren, sind weniger gestresst, haben weniger Burnout und sind weniger zynisch. iii Das mit dem Zynismus mag auf den erst Blick bei so einem sinnhaften Job überraschen. Tatsächlich, gibt es aber wohl so viele schreckliche Erfahrungen beim Feuerlöschen, dass Zynismus eine recht normale Schutzreaktion ist. Die sich eben mit Dankbarkeit zum Wohle aller ein wenig verwässern lässt.
  • Schreiben Menschen drei Wochen hintereinander einen Dankbarkeitsbrief – den sie nicht einmal abschicken müssen wird – fühlen sie sich danach emotional und seelisch gesünder. Zudem bauen sie ihr Gehirn ordentlich um: Selbst drei Monate später ist es messbar besser darin, zu erfassen, wofür das eigene Neuronen-Universum alles dankbar sein kann.iv
  • Und zu guter Letzt hat Dankbarkeit noch einen nachweislich positiven Effekt auf Ihren Blutdruck und die Schlafqualität.v

Erstes Fazit: Dankbarkeit ist einfach gesund für uns – warum sie also nicht fördern, besonders in schwierigen Zeiten wie diesen?

Beleidigt sein mit der Welt bringt nichts

Zweiter Punkt: Dankbarkeit erinnert uns daran, dass es sich einfach nicht lohnt, der Welt beleidigt zu sein. Denn diese Welt oder auch das „Schicksal“ hat keinerlei Pflicht uns gegenüber. Leider! So hat jeder von uns schon mal erfahren, wie ungerecht es zugehen kann – jemandem wird gekündigt und dann kommt noch die Krankheit dazu; jemand verliert ein Bein und die Ehefrau bekommt Krebs. Die griechische Idee einer Waagschale scheint in den Nervensträngen der Welt einfach nicht verankert zu sein.

Wenn wir allerdings um diese Endlichkeit wissen, um die fehlende Garantie für irgendetwas, ist Dankbarkeit für das was wir gerade hier und jetzt haben einfach elementar. Denn futsch kann alles weg sein und wir ärgern uns und trauern, dass wir es nicht geschätzt haben, als wir es noch hatten.

Dieses Schätzenlernen kann man wie so fast alles im Leben üben. So wie in der wunderbaren Kindergeschichte „A squash and a squeeze“ von Julia Donaldson, in der eine alte Dame ihr Haus viel zu klein findet. Die Lösung besteht darin, dem Rat eines weisen Mannes zu folgen, nacheinander in ihr winziges Haus noch ihr Huhn, ihre Ziege, das Schwein und die Kuh mit aufzunehmen. Und klar, nachdem sie diese am Ende des Buches wieder rauswirft, findet sie ihr Haus riesengroß!

Natürlich können wir uns auch ohne Kuh und Schwein im Haus bewusst machen, was im Moment gut ist (ohne natürlich die Bereitschaft zur Veränderung zu ignorieren – Dankbarkeit ist nicht gleich blinde Akzeptanz von allem). Wie zum Beispiel die (meist wohlwollenden) Menschen, eine sichere Umgebung ohne Krieg und Hunger, ein gutes Team, der eigene Körper, der Kaffee am Morgen, die schöne Altbautür – das alles sollte schon schätzen, während es da ist.

Zum weiteren Üben können wir auch der Empfehlung von Dr. Rosmarie Mendel vom Zentrum für psychische Gesundheit folgen. Sie empfiehlt jeden Abend vor dem Einschlafen anhand der einzelnen Finger durchzugehen, wofür man dankbar sein kann. Das hat bei manchen Menschen einen durchschlagenden Erfolg: So erzählte ein Teilnehmer einige Jahre später freudestrahlend, dass die Finger nun nicht mehr ausreichten, er bräuchte nun auch alle Zehen!

Zu guter Letzt ist natürlich auch immer hilfreich, sich kurz vor Augen zu führen, wie es anderen geht. Das erfordert natürlich Fingerspitzengefühl, damit man sich nicht mit egozentrischem Schaudern das Leid anderer Menschen zu Nutze macht. Dennoch weiß ich, wie wichtig z. B. für der Film Schindlers Liste für mich war. Nicht nur als Film, sondern auch um das eigene Ich draufzustoßen, dass egal wie verloren man sich gerade als Studentin fühlte, diese kein Recht auf eine längere Melancholie hatte. Ich musste nur versuchen, mich ein paar wenige Sekunden in die Opfer hineinzufühlen, um zu verstehen, wie wunderbar gut es mir doch ging.

Der Aufruf also: Greifen Sie abends an Ihre Finger und Zehen. Oder lesen Sie den wunderschönen Roman „Hiob“ von Joseph Roth. Erst als dem Lehrer Mendel Singer seine Menschen abhanden gegangen waren, merkt er (und der Leser), dass es ihm vorher eigentlich ganz gut gegangen war. Oder sehen Sie den Film „Babettes Fest“, der passend zur Jahreszeit Dankbarkeit in kulinarisch inspirierender Weise ausdrückt.

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i Emmons, R. A., & McCullough, M. E. (2003). Counting blessings versus burdens: an experimental investigation of gratitude and subjective well-being in daily life. Journal of personality and social psychology, 84(2), 377.

ii Lanham, M., Rye, M., Rimsky, L., & Weill, S. (2012). How gratitude relates to burnout and job satisfaction in mental health professionals. Journal of Mental Health Counseling34(4), 341-354.

iii Lee, J. Y., Kim, S. Y., Bae, K. Y., Kim, J. M., Shin, I. S., Yoon, J. S., & Kim, S. W. (2018). The association of gratitude with perceived stress and burnout among male firefighters in Korea. Personality and Individual Differences123, 205-208.

iv Kini, P., Wong, J., McInnis, S., Gabana, N., & Brown, J. W. (2016). The effects of gratitude expression on neural activity. NeuroImage128, 1-10.

v Jackowska, M., Brown, J., Ronaldson, A., & Steptoe, A. (2016). The impact of a brief gratitude intervention on subjective well-being, biology and sleep. Journal of health psychology21(10), 2207-2217.