Ist das T-Shirt wirklich (k)ein Problem? – Teil 5 der Blogserie: Einflussnehmen auf sich und andere

Heutzutage ist es doch egal, was ich anziehe. Oder? Aber jeder, der den armen Reporter Will Reeve gesehen hat, der in einer landesweiten Zoomreportage ohne Hose dasaß, jeder, der den Anblick seines Chefs im ausgeleierten Polohemd erlebt und jede, die ihre Mitarbeiterin im alten Sweatshirt vor der Kamera hatte, könnte daran Zweifel haben. Dabei sind viele Unternehmen stolz darauf, dass sie im Sinne von Diversity jede Bekleidung zulassen. Und viele Führungskräfte wollen bewusst ihren Status überdecken und zugänglich sein, wenn sie den Anzug außen vorlassen.

Die Frage nun an Sie: Was halten Sie von T-Shirts im Job?

Welchen Preis zahlen Unternehmen, wenn Marc Zuckerberg im T-Shirt, Dieter Zetsche in Jeans und Sneakers und der Ratgeber von Boris Dominic Cummings gar im Schlabberlook rumläuft? Ganz klar: Der Preis ist hoch. Deshalb sage ich Ihnen grundsätzlich: Zurück in die Zivilisation. Ziehen Sie sich endlich wieder wie Erwachsene an!

Warum sollten Sie das tun?

Erstens, sind Sie mit formaler Kleidung klüger. Jemand in einem weißen Laborkittel kann besser Aufgaben lösen als jemand im T-Shirt.1 Das menschliche Gehirn braucht einen Rahmen, um sich anzustrengen: Der Kittel oder das Kostüm ist so einer.

Zweitens, können Sie mit formeller Kleidung besser abstrakt denken, das große Ganze sehen und über den Moment hinausblicken.2 Förmliche Kleidung schafft soziale Distanz und generiert dadurch Unabhängigkeit im Denken.

Drittens, werden Sie als kompetenter wahrgenommen. Erst dieses Jahr hat eine Studie erneut belegt, dass Sie in förmlicher Kleidung als fähig und wissender wahrgenommen werden, als jemand in lockerer oder gar lottriger Kleidung.3 Und – noch ein Bonus – Ihre Kunden sind eher bereit, bei Ihnen zu kaufen.4

Heißt das nun, dass Sie jeden Tag einen Dreiteiler mit Krawatte oder ein Kostüm mit Pumps tragen müssen? Natürlich nicht, denn wenn es für Ihren Job im Unternehmen wichtig ist, auch mal stärkere Nähe zu signalisieren oder mit anderen salopp Gekleideten kreativ zu sein, dann sollten Sie auch das tun können. Allerdings muss informell nicht gleich lottrig oder Freizeitlook bedeuten.

Kleidung signalisiert Wertschätzung

Hinter einem „Gammel-Look“ steckt in der Tat oft auch fehlende Wertschätzung für andere sowie ein falsches Rollenverständnis. So wie ich meine Zuhörer nicht wertschätze, wenn ich nuschle, gähne, auf- und ab wippe oder mich schlichtweg nicht vorbereitet habe, genauso schätze ich meine Mitmenschen nicht wert, wenn ich mich in meinem Schlabberoutfit präsentiere.

Hand aufs Herz. Wen sehen Sie lieber an? Angelina Jolie und Roger Moore oder Männer in Shorts und Birkenstocks, Frauen mit Sackkleid und Hoodie? Eben. Und was noch wichtiger ist: Sitzt Ihnen jemand im Schlabberlook gegenüber, müssen Sie sich ziemlich anstrengen, sich für das Wesen dieser Person zu öffnen. Und wieso sollten wir so auftreten, dass sich das Gehirn des Beobachters erst über unser Outfit hinwegsetzen muss, um uns als kompetenten Mitarbeiter oder Chefin zu sehen?

Im Klartext: Ich schätze Sie erst dann als Gegenüber wert, wenn ich es Ihnen leicht mache, mich in meiner professionellen Rolle zu sehen.

Falsches Rollenverständnis durch falsches Outfit
Zu allem kommt noch ein falsches Rollenverständnis hinzu. Die doch recht deutsche Suche nach Authentizität führt in der Regel oft dazu, dass sich viele nicht mehr für die momentane Rolle zusammenreißen möchte. Wenn ich gezwungen war, im Stau zu fluchen, dann soll ich das auch in der Arbeit als Erstes rauskotzen dürfen; wenn mein Computer abgestürzt ist, möchte ich in der Kaffeeküche nicht mehr grüßen müssen; wenn der Kunde abgesprungen ist, darf ich beim Abschied des Kollegen eine Blätsche ziehen.

Nein, und nochmals nein! Wir haben uns die Rolle, die wir in der Arbeit einnehmen, selbst ausgesucht. Da müssen wir uns auch dieser Rolle entsprechend verhalten. Das heißt, alles vermeiden, was anderen das Leben schwerer macht. Das heißt, meine Befindlichkeiten bleiben bei mir und nur bei mir! Seien Sie daher, egal ob Führungskraft oder Mitarbeiter, während der Arbeitszeit ganz in Ihrer Rolle. Das heißt nicht, dass Sie nicht auch mal etwas Persönliches teilen dürfen. Aber nur, wenn Sie dabei nicht aus der Rolle fallen.

Was heißt das für Ihre Kleidung? Wenn Bluse, dann eine gebügelte, wenn Anzug, dann bitte auch im Onlinemeeting mit Hose, und wenn es für Ihre Rolle unbedingt ein T-Shirt sein muss, dann zumindest mit Jackett.

Wer jetzt nach Vorbildern sucht, sollte sich die Filme „Kingsmen“ oder „Der unsichtbare Dritte“ anschauen, oder „Crazy Rich Asians“ von Kewin Kwan und die englische Autobiographie von Diana Vreeland lesen.

Dann werfen Sie schon freiwillig alle lottrigen T-Shirts weg und gewinnen Freude an gutangezogenen Menschen!

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1 Adam, H., & Galinsky, A. D. (2012). Enclothed cognition. Journal of Experimental Social Psychology, 48(4), 918-925.
2 Slepian, M. L., Ferber, S. N., Gold, J. M., & Rutchick, A. M. (2015). The cognitive consequences of formal clothing. Social Psychological and Personality Science, 6(6), 661-668.
3 Oh, D., Shafir, E., & Todorov, A. (2020). Economic status cues from clothes affect perceived competence from faces. Nature Human Behaviour, 4(3), 287-293.
4 Shao, C. Y., Baker, J. A., & Wagner, J. (2004). The effects of appropriateness of service contact personnel dress on customer expectations of service quality and purchase intention: The moderating influences of involvement and gender. Journal of Business Research, 57(10), 1164-1176.